ARCHIVMITTEILUNGEN

Zeitschrift für Archivwesen, archivalische Quellenkunde und 
Historische Hilfswissenschaften

 

In memoriam: Eberhard Schetelich

 

19. Februar 1927 Auerbach/Vogtland
11. Dezember 2006 Potsdam

Unter dem 17. Januar 2007 übermittelte das Sekretariat des Internationalen Archivrats (IAR) in Paris seinen institutionellen und persönlichen Mitgliedern sowie den Regionalvereinigungen die Nachricht, dass sein Ehrenmitglied Eberhard Schetelich am 11. Dezember 2006 in Potsdam verstorben ist.*

In der gleichzeitigen Würdigung der Aktivitäten des Verstorbenen, die auch allen Mitarbeitern in den verschiedenen Dienststellen des Bundesarchivs zur Kenntnis kam, wurde betont, dass Eberhard Schetelich Chefredakteur der Fachzeitschrift „Archivmitteilungen" gewesen ist, die in der DDR seit 1951 erschien. „Über viele Jahre" – so hob das Sekretariat des Internationalen Archivrats hervor – „publizierte er auf hohem professionellen Standard erfolgreich Beiträge auf allen Gebieten der Archivverwaltung, der Archivwissenschaft und der Archivtechnik. Dank seiner exzellenten diplomatischen Fähigkeiten gelang es ihm, enge Verbindungen mit der internationalen Gemeinschaft, speziell dem Internationalen Archivrat, zu unterhalten. Eberhard Schetelich war der professionelle Berater des Repräsentanten der DDR beim Exekutivkomitee des ICA von 1984 bis 1988. Voll und ganz unterstützte er Hans Booms, Bundesrepublik Deutschland, als Präsident des Internationalen Archivrats bei der Herstellung einer engeren Kooperation zwischen den beiden deutschen Staaten unter der Ägide des ICA. 1987 und 1988 nahm er an den Konferenzen in Luxemburg und Trier teil, wo eine Übereinkunft über ein umfassendes Mikrofilm-Programm für die Entwicklungsländer erzielt wurde. Er wird von vielen Freunden und früheren Kollegen in Deutschland und in der ganzen Welt zutiefst vermisst werden."

In Auerbach im sächsischen Vogtland 1927 geboren, ging Eberhard Schetelich zunächst hier und später in Hamburg zur Schule und legte dort das Abitur ab. Kurz darauf wurde er wie viele andere seiner Generation 1943/1944 zur Wehrmacht eingezogen. Aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft (Bad Kreuznach) entlassen, kehrte er im Mai 1946 in seine vogtländische Heimat zurück.

Nach erfolgreicher Ausbildung und Tätigkeit als Lehrer 1946 bis 1951 trat er bei der damaligen Hauptabteilung Archivwesen im Ministerium des Innern der DDR in den staatlichen Archivdienst ein und absolvierte gleichzeitig die Ausbildung zum Diplom-Archivar (gehobener Dienst). Mit dem Zusammenschluss der Generaldirektion der staatlichen Archive der DDR und der Hauptabteilung Archivwesen zur Staatlichen Archivverwaltung im Februar 1953 gehörte er derselben bis zum Eintritt in den Ruhestand 1988 an.

Am 1. Januar 1956 wurde er als Chefredakteur der Fachzeitschrift „Archivmitteilungen" berufen und übte diese Funktion über 30 Jahre bis zum 30. Juni 1988 aus.
Mit großer Beharrlichkeit und unendlichem Fleiß, gepaart mit dem ihm eigenen Organisationsgeschick und publizistischem Talent sowie der erforderlichen Fachkenntnis – Ende der sechziger Jahre legte er noch im Fern- bzw. externen Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin die Staatsprüfungen als Historiker und als wissenschaftlicher Archivar (Abschlussarbeit anknüpfend an Heinrich Otto Meisner und Wolfgang Leesch zu Fragen der Archivterminologie) ab – gestaltete er die „Archivmitteilungen" zu einem in Ost und West international anerkannten Fachorgan auf dem Gebiet des Archivwesens. Persönlich ein Kommunikator mit Witz und Charme sowie gewinnender Freundlichkeit und der Fähigkeit zu integrieren, behielt er in Zusammenarbeit mit seinem Redaktionskollegium bzw. als Mitglied von Kommissionen stets den Überblick, um in Diskussionen Sachfragen zu strukturieren, inhaltlich zu gestalten und möglichst anwendungsfähig für die Praxis zu machen.

Neuen Fragestellungen und Themen stets aufgeschlossen, war er immer auf der Suche nach Autoren, um dem breiten fachlichen Spektrum der Leser der Zeitschrift zu entsprechen und leistete auch persönlich, z.B. bei der Qualifizierung von Betriebs- und Verwaltungsarchivaren, die redaktionelle Unterstützung, wo sie erwünscht war.

Seine Frau Annerose, mit der er über 50 Jahre verheiratet war, brachte den vielen dienstlichen Verpflichtungen, denen er im Laufe der Zeit im In- und Ausland neben der Chefredaktion in Kommissionen zu entsprechen hatte, immer Verständnis entgegen und sorgte mit Geschick für Freiräume, wobei ihm neben gemeinsamen Urlaubsreisen nicht zuletzt immer wieder Besuche bei Verwandten und Freunden im Vogtland viel Freude bereiteten.

So wie er einer Vielzahl von Autoren und Rezensenten die Möglichkeit zur Meinungsäußerung in der Fachzeitschrift bot, meldete er sich selbst mit einer Fülle von Beiträgen zu Wort, die aktuelle Fragen der Planung und Leitung berührten, auf Jubiläen, historische Daten und Personen aufmerksam machten, auf Arbeitstagungen in der DDR oder auf internationale Archivkongresse und -konferenzen bzw. bilaterale Kommissionssitzungen usw. hinwiesen.

Als verantwortlicher Redakteur erwarb er sich neben den „Archivmitteilungen" bei der Publikation des „Taschenbuch Archivwesen der DDR" (1971) und beim „Lexikon Archivwesen der DDR" (1976/1979) die verdiente fachliche Anerkennung. In Verwertung dieser und seiner internationalen Erfahrungen stellte er Übersichten über Archivhand- und -lehrbücher, Wörterbücher für Archivwesen (z.B. AM 29(1979)1, S. 33–40; AM 37(1987)3, S. 106–111) zusammen und war dementsprechend im Hochschullehrbuch „Archivwesen der DDR. Theorie und Praxis" für ein Kapitel zur Archivliteratur (1984, S. 433–465) verantwortlich.

Als Chefredakteur der „Archivmitteilungen" hat er einen Eigenanteil in die Zeitschrift eingebracht, der zusammengerechnet fast 300 Druckseiten, also weit mehr als einen stattlichen Jahrgang der Archivmitteilungen, ausmacht.

Sein Lebenswerk weist ihn als einen engagierten und fähigen Archivar aus, der mit seinem Bemühen sowohl in der DDR als auch auf internationaler Ebene wesentlich zur akzeptierten Kompetenz bei den Nachbarwissenschaften der Archivwissenschaft, bei den Historikern und anderen Disziplinen sowie zur eigenständigen Professionalisierung der Zunft der Archivare beigetragen und dem entsprechenden Kodex ethischer Grundsätze entsprochen hat.

Somit kann man Eberhard Schetelich in der deutschen Archivgeschichte in der Zeit vor und nach 1989 zu den Persönlichkeiten zählen, die in Deutschland für das Feld archivarischer Alltagsarbeit mit ihrem publizierten Wirken zukünftigen Archivarinnen und Archivaren weiterhin wertvolle Anregungen vermitteln können.

In diesem Sinne hat auch der Internationale Archivrat seiner gedacht.

Potsdam, Sommer 2008

Botho Brachmann

* http://www.wien2004.ica.org/en/node/832
 

Nachruf auf Eberhard Schetelich als .pdf-Datei.

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